Ursprünglicher Beitrag: Anfang 2020
Die Corona–Pandemie führt bundesweit zur Schließung von Einzelhandelsbetrieben. Dies hat gravierende wirtschaftliche Auswirkungen für viele Betriebsinhaber. Für etliche Einzelhandelsbetriebe wird dies existenzielle Folgen haben, möglicherweise auch die Insolvenz bedeuten.
Gestützt werden diese Maßnahmen auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) i.V.m der von der Landesregierung erlassenen Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO). Nach § 32 IfSG können die Landesregierungen Rechtsverordnungen erlassen hinsichtlich der in den §§ 28-31 IfSG für die Bekämpfung infektiöser Krankheiten vorgesehenen Schutzmaßnahmen. § 28 I IfSG ermöglicht kranke und infektiöse Personen zu isolieren und unter Quarantäne zu stellen sowie Gemeinschaftseinrichtungen zu schließen. Schon dem Wortlaut nach ist fraglich, ob hiervon Einzelhandelsbetriebe erfasst werden. Des Weiteren sieht § 28 I IfSG vor, dass zur Verhinderung der Verbreitung infektiöser Krankheiten in bestimmte Grundrechte eingegriffen werden kann. Diese Grundrechte sind abschließend aufgeführt. Das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sowie das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) finden allerdings keine Erwähnung.
Schon vor diesem Hintergrund bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der CoronaSchVO - jedenfalls soweit danach Einzelhandelsbetriebe geschlossen werden können. Unabhängig davon bestehen verfassungsrechtliche Bedenken auch im Hinblick auf eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Es ist letztlich nicht nachvollziehbar und mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht vereinbar, Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 m² zu schließen. Jedenfalls überzeugt die diese Entscheidung stützende Argumentation nicht. Bislang liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor, dass von größeren Verkaufsflächen eine höhere Anziehungskraft auf Kunden ausgehen und dadurch mehr Menschen in die Innenstädte gelockt werden. Unter der allein maßgeblichen infektionsschutzrechtlichen Sicht kann nicht die Größe der Verkaufsfläche entscheidend sein. Entscheidend ist darauf abzustellen, ob – ungeachtet der Größe der Verkaufsfläche – ein ausreichendes Hygiene – und Sicherheitskonzept vorliegt. Mittlerweile teilen auch verschiedene Verwaltungsgerichte diese verfassungsrechtlichen Zweifel. Aktuell haben sowohl das Verwaltungsgericht Hamburg als auch der Verwaltungsgerichtshof Bayern die entsprechenden infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen für verfassungsrechtlich angesehen und die 800 m² – Grenze gekippt.
Die Coronaschutzverordnungen der Länder gelten zunächst nur bis zum 4.5.2020. Sollte die 800 m² Grenze beibehalten werden, sollten die hiervon betroffenen Einzelhandelsbetriebe gerichtliche Schritte erwägen.