Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III bei versicherungswidrigem Verhalten des Bewerbers

Egmar Bernhardt • Aug. 24, 2021

SG Gießen entscheidet zum Eintritt einer Sperrzeit des ALG-Bezugs bei abträglichen Angaben vor Durchführung eines Vorstellungsgesprächs; 24.08.2021, S 14 AL 81/21

Der Fall:

Der arbeitslose Kläger hat in einem Telefonat zur Vereinbarung eines Termins für ein Bewerbungsgespräch angegeben, dass er beabsichtige, in naher Zukunft (3-4 Monate) einer selbstständigen Tätigkeit nachzugehen. Die Beklagte hat eine Sperrzeit für den Zeitraum vom 31.03. - 20.04.2021 gegenüber dem Kläger verhangen, für diesen Zeitraum also keine ALG-Berechtigung bestand. Der Kläger vertrat - zusammengefasst - die Auffassung, dass er nicht daran gehindert werden könne, einem potentiellen Arbeitgeber seine nur begrenzte Arbeitssuche vorzuenthalten.


Die Entscheidung:

Das SG Gießen hat in seiner Entscheidung vom 24.08.2021 entschieden, dass der Kläger sich versicherungswidrig verhalten habe.

Maßgeblich sei Folgendes: "Grundsätzlich muss sich der Arbeitslose gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber so verhalten, wie dies üblicherweise von einem an einer Arbeitsaufnahme interessierten Arbeitslosen erwartet werden kann." (Rn. 20).

Es seien alle Bestrebungen zu unterlassen, die einen Arbeitgeber veranlassen könnten, von einem Vorstellungsgespräch Abstand zu nehmen. Weiterhin träfe den Arbeitslosen "die Obliegenheit, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeitslosigkeit so schnell wie möglich zu beenden und alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, eine ihm angebotene Arbeit zu erhalten (BSG, Urteil vom 27.05.2003 - B 7 AL 4/02 R). Der Arbeitslose muss sich daher als interessierter Stellenbewerber zeigen und so verhalten, wie es das Eigeninteresse einem vernünftigen Arbeitslosen, dem die Beklagte die Arbeitslosigkeit nicht durch finanzielle Zuwendungen erleichtert, gebieten würde."

Nur wenn ein wichtiger Grund vorliegt, kann ein anderes Verhalten gerechtfertigt sein. Hierbei ist regelmäßig auf die fehlende individuelle Zumutbarkeit der konkreten Beschäftigung für den ALG-Empfangenden abzustellen und eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

Alleine die beabsichtige Selbstständigkeit habe im konkreten Fall zurücktreten müssen, insbesondere weil der Kläger bereits zuvor seine Absicht einmal aufgegeben habe.

Das SG hat die Klage daher zurückgewiesen.

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